Chefanalyst Rudolf Wittmer im Pressewoche-Interview

Chefanalyst Rudolf Wittmer im Pressewoche-Interview
Das regionale Wochenmagazin "Pressewoche" befasst sich in der aktuellen Ausgabe mit dem Thema: "Wege aus der Unsicherheit - Heimische Finanzexperte nehmen zur Krise Stellung"

Die Wirtschaftsjournalistin Beatrix Boutonnet befragte Experten aus dem Finanzdienstleistungsbereich über aussichtsreiche Geschäftsfelder, Perspektiven und ein Leben mit niedrigeren Renditen.

Eingeladen war unter anderem Rudolf Wittmer, Chefanalyst der TM Börsenverlag AG:


Rudolf Wittmer Pressewoche: Die Krise tobt immer noch, einige Banken werden es nicht überleben. Der Staat musste mit Milliarden-Paketen stützen. Haben einige Großbanken die Öffentlichkeit bewusst hinters Licht geführt oder haben sie es wirklich nicht besser gewusst?

Wittmer: Die Krise hat mehrere Dimensionen, sodass es sicherlich falsch ist, den Banken die alleinige Schuld zuzuweisen. Hauptursache ist die Ausweitung der Geldmengenschöpfung, die insbesondere von dem ehemaligen Fed-Chef Alan Greenspan beginnend mit dem Aktien-Crash 1987 bis zum Exzess betrieben wurde. Seitdem wurde jede Krise – Tequila-, Asien-, Russland-, Dotcom- und Argentinien-Krise – mit einer Ausweitung der Geldmenge bekämpft. Ohne diese Öffnung der Geldschleusen wären die Banken niemals in der Lage gewesen, ein so großes Rad zu drehen.

Pressewoche: Und was war mit der Liberalisierung der Märkte nach dem Platzen der Technologie-Blase?

Wittmer: Das kam hinzu. Durch die Liberalisierung kam es zu einer Ausweitung von außerbilanziellen Bankgeschäften mit strukturierten Produkten. Auch diese neuen Geschäftsfelder wurden von der Politik ins Leben gerufen – wenn auch sicherlich unter dem Einfluss der mächtigen Banken-Lobby.

Pressewoche: Sind also auch die Politiker mit Schuld?

Wittmer: In gewisser Weise schon, denn es wurden auf politischer Ebene erst die Grundlagen dafür geschaffen, dass es für die Banken keine Grenzen mehr gab. Diese haben die neue Situation dann auch reichlich ausgenutzt, so wie es auch kleine Kinder tun, die ständig versuchen, neue Grenzen auszuloten.

Pressewoche: Und die Banken selbst?

Wittmer: Einigen Banken muss vorgeworfen werden, dass sie Risiken nicht mit der nötigen Sorgfaltspflicht überwacht haben. Zusammenfassend müssen wir feststellen, dass an dem ganzen Desaster mehrere Parteien beteiligt waren: Politiker, Banker, Wirtschaftsprüfer und auch Ökonomen, die es versäumt haben, auf die systemischen Risiken hinzuweisen.

(Quelle: Pressewoche, Nr. 71/2009)

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